Wo man nicht segeln kann, da muss man rudern

Frau Neumann, alias Mucki, geht in den Ruhestand

Rede der Schulleiterin Frau Maier zur Verabschiedung von Frau Neumann

„Fräulein Schmidts Auftreten vor der Klasse verbindet Verständnis für junge Leute mit erzieherischer Bestimmtheit.“ Alleine aufgrund dieser kurzen, bis heute zutreffenden Beschreibung einer pädagogischen Haltung weiß der geneigte Leser sehr genau, von welcher Lehrerpersönlichkeit diese Zeilen aus einer ersten Beurteilung handeln und von wem im Folgenden die Rede sein soll: OStRin Christiane Neumann geht nach 38,5 Jahren im Schuldienst in den Ruhestand. Sie lichtet den Anker, setzt die Segel neu, macht sich auf zu neuen Ufern, verlässt den Heimathafen und wir bleiben winkend und das Beste für die neue Reise wünschend zurück. Und wir blättern im Logbuch, das die Kapitäne der früheren Traumschiffe oder womöglich auch Fregatten, auf denen sie angeheuert hatte, pflichtbewusst geführt haben.

Im September 1959 in Kötzting geboren, absolvierte sie als Furtherin 1978 am Joseph-von-Fraunhofer-Gymnasium in Cham ihr Abitur. Dann zog es sie in die bayerische Landeshauptstadt zum Studium, das sie 1985 mit dem ersten Staatsexamen abschloss. Nach dem Referendariat, das sie unter anderem am Chamer Robert-Schuman-Gymnasium abgeleistet und als Beste ihres Prüfungsjahrgangs beendet hatte, fand sie ihre erste Planstelle als junge StRin z. A. am Schwandorfer Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasium. Bereits mit ihrem zweiten Versetzungsgesuch 1989 hatte Christiane Neumann Erfolg. Sie durfte aus persönlichen Gründen, also der Liebe zu ihrem Mann und zu ihrem Triathlon-Sport wegen, an das Gymnasium Kirchheim im Nordosten von München wechseln. So konnte sie es leichter händeln, einerseits ihr Training als Mitglied des Bayerischen Landeskaders fortzusetzen und andererseits weiterhin „innerhalb und außerhalb des Regelunterrichts Einsatzbereitschaft, Einfühlungsvermögen und erzieherische Konsequenz“ zu zeigen. Nicht nur, weil es ihr laut Gutachten beispiellos gelang, „ihren Schülerinnen und Schülern eine gut motivierte Arbeitshaltung zu vermitteln“, wurde Christiane Neumann am 1. Oktober 1990 auf Lebenszeit verbeamtet.

Und dann begann die Phase der Familiengründung. Nach der Hochzeit und der Geburt des ältesten Sohnes Florian 1992 zog es die Neumanns in die Heimat zurück. Doch beinahe hätte es eine Havarie gegeben. Das Kultusministerium lenkte aber die Bewerbung um, und Christiane heuerte nach dem Erziehungsurlaub am 6. September 1993 am Benedikt-Stattler-Gymnasium und nicht an einem Chamer Schlachtschiff an. In Teilzeit hielt sie fortan die Kötztinger Schülerinnen und Schüler in Sport und Mathematik auf Kurs.

Zwei weitere Kinder, Franziska und Felix, waren der erfreuliche Grund dafür, dass Christiane Neumann ihre Unterrichtstätigkeit zeitweise unterbrach, um dann aber wiederum kurzfristig auch den Erziehungsurlaub auszusetzen, um am BSG das Ruder zu übernehmen, wenn wieder einmal „Mensch über Bord“ war und Personalmangel herrschte.

Ihre Verlässlichkeit und ihre Flexibilität schätzen auch heute noch die Kollegen am Benedikt-Stattler-Gymnasium an Christiane Neumann, „die jederzeit selbstbewusst ihre Positionen vertritt und dabei ihre Aufgabe als Lehrkraft nicht nur in der Wissensvermittlung sieht, sondern die Erziehung der Schülerinnen und Schüler als ein wichtiges Element ihrer Arbeit betrachtet“, wie OStD Wiesmann seinerzeit notierte. Schon damals stellte sie als Begleiterin von sportlichen Aktivitäten und mehrtägigen Klassenfahrten ihre organisatorischen Fähigkeiten, ihre Eigeninitiative, ihre Entschlusskraft und ihr Durchhaltevermögen beeindruckend unter Beweis. So war es früher und so ist es bis heute geblieben, einem Tag mitten in einer stürmischen Spätwinterwoche, in der OStRin Neumann bereits zweimal mit Siebtklässlern den Arber bestiegen, zweimal in der hellhörigen Zwieseler Hütte übernachtet und zweimal durchsetzungsstark das Kommando nicht nur über die Küchen- und Putztruppe geführt hat. Dass nur wenige Kollegen bereit und in der Lage sind, derartige Expeditionen durchzustehen oder gar zu leiten, soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden. Sie hat sich, ihren Kollegen und ihren Schülern immer viel Einsatz abverlangt, und sie hat mit ihrem ausgeprägten Willen zur Bildungszusammenarbeit auch die Eltern in die Pflicht genommen. Stets war ihr daran gelegen, in vertrauensvollen Gesprächen viel über das Umfeld ihrer Schülerinnen und Schüler zu erfahren, um so Zusammenhänge zu erkennen und ihre Urteile und Ratschläge auf eine fundierte Basis stellen zu können.

Doch leider wurde dieses Engagement immer wieder von Phasen der Dienstunfähigkeit ausgebremst. Ein Vierteljahrhundert ist es mittlerweile her, dass ein erster Dienstunfall während des Sportunterrichts Christiane Neumann längerfristig außer Gefecht setzte. Ein Skiunfall 2001, ein Dienstunfall bei einer Lehrerfortbildung 2013 und eine Knieoperation 2019 verlangten ebenfalls ihren Tribut.

Doch die Kollegin kämpfte sich immer wieder zurück, zäh, unempfindlich und hart gegen sich selbst. Auch gegen allen ärztlichen Rat wollte sie den Sportunterricht nicht aufgeben. Keiner konnte ihr die aktive Teilnahme an Schulskikursen, die Betreuung von Schulskimannschaften auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene, ihr P-Seminar „Mountainbike-Tour durch den Bayer- und Böhmerwald“, geschweige denn den jährlichen „Segeltörn im IJsselmeer“ ausreden. Und ehrlich gesagt, keiner wollte es auch.

Über den Sport hinaus interessierte sich Frau Neumann immer gerne und gerne kritisch für die vielfältigsten Themen des Schullebens. Sie wirkte an der Erstellung von Aufgaben für die Besondere Prüfung in Mathematik ebenso mit wie an Veranstaltungen zur inneren Schulentwicklung und sie suchte ausdauernd die Auseinandersetzung mit vielfältigen Fragen der Erziehung und Didaktik.

Als zupackende, pragmatische „Pädagogin alter Prägung“ bewies sie sicheres, schülergerechtes Einfühlungsvermögen, ohne die Jugendlichen zu verzärteln. Im Unterricht und in unzähligen Vertretungsstunden, die sie regelmäßig für sich reklamierte, legte sie großen Wert auf den Lernfortschritt der ihr anvertrauten Gymnasiasten und nicht weniger auf die Vermittlung von traditionellen Werten und Tugenden wie Leistungs- und Anstrengungsbereitschaft, gemäß dem Motto „Wo man nicht segeln kann, da muss man rudern.“

Zielstrebig und mit großem persönlichen und auch familiären Einsatz gestaltete sie darüber hinaus für ihre Klassen und Kollegen unvergessliche Erlebnisse auf Fahrten und bei zahlreichen Unternehmungen außerhalb des Klassen- und Lehrerzimmers. Viele von uns können viele Anekdoten davon erzählen.

Und bis zum Schluss war Christiane Neumann ein oft und sehr gern gesehener Gast bei Schulveranstaltungen. Nicht nur einmal tanzte sie mit ihrem Mann Uwe bis spät in die Nacht, um dann z. B. im Schulhaus das Licht auszumachen und als Letzte die Tür zu schließen.

Mehr als 200 Knoten, liebe Christiane, das ist nicht die Geschwindigkeit, mit der du dich von deinem Hafen Benedikt-Stattler-Gymnasium nun wegbewegst, nein, das ist der Inhalt des Buches, das wir dir schenken wollen. Es beschreibt Techniken, die eine Seebärin wie du können sollte. Dass wir den Palstek auch binden können, wirst du bald spüren, liebe Christiane, wenn du versuchst, die Taue zu lösen und in See zu stechen. Denn wir halten dich weiterhin an der kurzen Leine und unsere Leuchtfeuer lotsen dich immer wieder in deinen Heimathafen zurück – weil wir auch in Zukunft mit dir planen, auf und unter Deck.

Liebe Christiane, wir wünschen dir zum Abschied immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und sagen Danke für alles – und Ahoi!

Auch Lehrer und Schüler verabschiedeten sich von Mucki:

Das Schuljahr im Blick