Geschichtsunterricht am BSG: Wahr- und wehrhaft gegen den Faschismus
Faschismus, das erfahren wir in diesen Zeiten leider wieder, hat vielfältige Dimensionen. Im Grunde ist jeder Verbund von Menschen, die intolerant gegenüber anderen ihre eigenen Positionen gewaltsam durchsetzen wollen, faschistisch. Spätestens seit Februar weiß man: Putins Russland ist, obwohl es aufgrund seiner Geschichte antifaschistisch geprägt ist, offensichtlich ein faschistischer Staat, der nach innen wie nach außen alles unterdrückt, was nicht in sein Weltbild passt. Aber auch in Deutschland nehmen Denkweisen zu, die Werte wie Menschenrechte und Demokratie nicht mehr zu schätzen wissen oder in einer paradoxen Weise so missverstehen, dass intolerante und aggressive Handlungen dabei entstehen. „Die Demokratie ist nicht die beste Staatsform“, sagte einst Winston Churchill, „aber die beste, die ich kenne.“ Auf alle Fälle ist sie besser als eine Staatsform, in der wirklich Unterdrückung herrscht und in der die Menschenwürde millionenfach verletzt wird.
Nur durch wiederholtes Erinnern kann dauerhaft erkannt werden, wie wertvoll die Demokratie trotz ihrer Schwächen ist und wie furchtbar und destruktiv jede Form von Faschismus und halsstarriger Meinungsaggression. Diese Erinnerung aufrechtzuerhalten ist die wesentliche Aufgabe des Faches Geschichte – und auch eine wesentliche Verantwortung der Erwachsenengeneration, die es erreichen muss, dass die Jugendlichen den Wert der Freiheit, Selbstbestimmtheit und der Menschenrechte als beschützenswert erkennt und nicht Geschichtsklitterungen oder Verschwörungstheorien auf dem Leim geht, auch wenn nicht alles perfekt verläuft in einem demokratischen Staat. Einfache Erkenntnisse gibt es in pluralistischen Gesellschaften selten, dafür sind sie zu komplex; im Geschichtsunterricht lernt man, sich die Mühe zu machen, durch gezieltes Hinsehen und differenziertes Überlegen den Wahrheiten vielleicht ein wenig näher zu kommen als durch oberflächliche, vorschnelle Annahmen. Nur so kann Empathie ausgebildet werden, die der Kern jeglichen humanen Miteinanders ist und die zur Zeit so oft abhandengekommen zu sein scheint – auch deswegen, weil der Empathische leider auch schnell als der Schwache oder Einzelne dasteht. Das richtige Maß an Mitgefühl und Wehrhaftigkeit ist auch etwas, was uns die Geschichte zeigen kann und was ständig neu gelernt werden muss.
Diese Vorrede war lang, aber sie war nötig. Denn nur durch diese theoretischen Gedanken versteht man, warum es so wichtig und wertvoll ist, wenn Geschichtsforscher wie Clemens Pongratz, der Leiter des Bad Kötztinger Stadtarchivs, den 9. Klassen des BSG erläutern, wie es damals war, als auch hier bei uns jüdische Familien von den Nationalsozialisten diskriminiert, verfolgt, ins Exil und in den Tod getrieben wurden. Die unfassbare Menge an menschlichen Tragödien und Traumata, die der Holocaust zur Folge hatte, wurde in dem Vortrag angesichts der Schicksale der Kötztinger Familien Kirschner und Hahn am Einzelfall spürbar. Die Erinnerung an die schrecklichen Geschehnisse mitten in einem vermeintlich zivilisierten Land ist durch ihre regelmäßige Wiederholung hier und da schon ausgeleiert oder verdünnt. Ein Vortrag, der sich mit den lokalen Begebenheiten beschäftigt, kann uns aber wieder deutlich machen, dass die Ereignisse auch an Orten passiert sind, die wir selbst kennen … hier bei uns! –, dass auch der hiesige Menschenschlag – zumindest teilweise – zu schlimmen Dingen fähig war, faschistisch handelte und dem Wahnsinn seiner Zeit aufgesessen war. Und dass es unsere Verantwortung ist, das Angedenken über die Zeit hinweg zu bewahren.
Zusammen mit Dokumentationsfilmen über das ehemalige Konzentrationslager Flossenbürg in der nördlichen Oberpfalz, bei denen die Stimmen der überlebenden, gequälten Opfer ganz deutlich und nah wurden, konnten die SchülerInnen auch erkennen, wie gefährlich eine irrationale Massenpsychose sein kann und wie sehr die Opfer (und auch manche der Helfershelfer) darunter zu leiden haben. Die Dokumentation über eine der Täterinnen, eine KZ-Aufseherin, die nach 1945 ein erfülltes, beschauliches Leben führte, zeigte demgegenüber in eindrucksvoller Weise, dass Lügen, Selbstbetrug und Verdrängung die Dinge bis zur Unkenntlichkeit verunstalten können und so eine weitere Beleidigung sind für die, die unter dem Wahn gelitten haben. Wahrheit ist schwer, tut weh und viele haben ihre eigene. Damals wie heute. Sich gegen Intoleranz und irrsinnige Weltbilder zu wehren mit den richtigen Mitteln, wird immer mehr zur Notwendigkeit.
Wer einen vertieften Einblick in die Diskriminierung jüdischer Familien in Bad Kötzting und insgesamt in unsere Heimatgeschichte erhalten will, dem sei der äußerst lesenswerte und informative Blog „Kötztinger Geschichte(n)“ des Stadtarchivars Clemens Pongratz empfohlen.