Erster Abend der politischen Bildung
Sicherheitspolitische Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft
In diesen Tagen graben sich bei vielen die politischen Sorgenfalten noch tiefer ins Gesicht. Egal in welche Himmelsrichtung man blickt, überall gibt es Krisen und Umbrüche, oder sie drohen zumindest unheilvoll: Im Osten überschattet der russische Angriffskrieg viele andere Probleme, beim Schwenk nach Westen begegnet man weltweit vielen weiteren Brennpunkten. Gelangt man schließlich in die USA, keimt ob des Wahlergebnisses große Verunsicherung auf. Zeitgleich zerbricht im heimischen Berlin die Ampelkoalition. Gerade in solchen Zeiten sind Gespräche und Information, mögen sie sich auf noch so unangenehme und unbeliebte Themen beziehen, wichtig.
Dafür bot das Benedikt-Stattler-Gymnasium auf Initiierung von StR Stefan Wecker (Fachschaftsleiter Politik- und Gesellschaft) im Zuge des ersten „Abends der politischen Bildung“ Raum und Gelegenheit. Diese Veranstaltung soll nunmehr jährlich stattfinden und den Bildungsauftrag des Gymnasiums über die Schule hinaus an die Öffentlichkeit tragen. Heuer beschäftigte man sich mit dem Thema „Sicherheitspolitik“, künftig sind etwa gesellschaftliche und soziologische Themen angedacht.
Wenn es um internationale und nationale Sicherheitspolitik und -strategien geht, bietet es sich unter anderem an, mit direkten Akteuren der Bundeswehr in den Dialog zu treten. Hauptmann Klaus Schedlbauer, Jugendoffizier aus Deggendorf, und Hauptmann Severin Pleyer, Wissenschaftsoffizier am Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der HSU Bw Hamburg, erklärten sich bereit, zu referieren und zu diskutieren.
Jugendoffizier Schedlbauer betonte in seinem Vortrag: „Sicherheit geht alle Menschen in unserem Land etwas an.“ Damit wollte er auf keinen Fall die ebenfalls veranschaulichten Kernaufgaben der Bundeswehr umverteilen, sondern dem Publikum vielmehr zwei für ihn wesentliche Feststellungen vergegenwärtigen. Die Bevölkerung müsse zum einen erkennen, dass sich die Zeiten geändert haben, Grenzen wieder in Frage gestellt werden und Europa vielleicht etwas weniger sicher ist, wie man lange Zeit auch zurecht gedacht habe. Deshalb sei es zum anderen wichtig, auf verschiedenen Ebenen resilient zu werden, also unsere demokratischen Werte durch innere Stärke zu schützen und auch als einzelner bereit zu sein, etwas beizutragen. Veranschaulichend sprach Schedlbauer von einem durchaus denkbaren Gleichzeitigkeitsfaktor im Katastrophenfall. Es gebe unter den 84 Millionen Bundesbürgern nur etwa zwei Millionen berufliche und ehrenamtliche, die im „Blaulichtdienst“ tätig seien. Treten also mehrere Katastrophen wie etwa Überschwemmungen, Explosionen und Stromausfälle zeitgleich auf, reiche es nicht aus, wenn die Bevölkerung lediglich informiert sei, sie müsse vorbereitet sein und könne sich nicht zurücklehnen.
Der Wissenschaftsoffizier Hauptmann Severin Pleyer sprach in seinem Vortrag „Nukleare Strategien der Zukunft“ über eines seiner aktuellen Hauptforschungsgebiete. Dabei betonte er vorab, dass er dieses wichtige Thema analysiere, er in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein dafür schaffen wolle, der einzelne es aber auf keinen Fall persönlich überbewerten dürfe. In diesem Sinne klärte er die Zuhörer etwa über die Wirkmechanismen der nuklearen Abschreckung auf. Dabei muss man zwischen den Funktionen der reinen Androhung bzw. einer Eskalationskontrolle unterscheiden. Während etwa Russland über sog. taktische Nuklearwaffen verfügt, deren Wirkungskreis und Sprengkraft deutlich geringer als konventionelle Kernwaffen sind, könne die NATO eben vor allem mit konventionellen Nuklearwaffen drohen. Dieses Ungleichgewicht mindere die Glaubwürdigkeit der westlichen Abschreckung, da mit dem Einsatz strategischer Waffen eine weitaus größere Zerstörung einhergeht und die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Seite einsetzen würde, dementsprechend rapide sinke. Der Westen habe demnach aktuell weniger Möglichkeiten zur Eskalationskontrolle, weil er über eingeschränktere Reaktions- und Handlungsoptionen im nuklearen Bereich verfügt. Eine Strategie wäre also, diese Optionen zu erweitern, so Hauptmann Pleyer. Dass über solche Schritte überhaupt nachgedacht werden müsse, liegt an bislang noch nicht gekannten Drohgebärden der Russischen Föderation. „Nuklearwaffen wurden bislang nicht für die Sicherung eines Angriffskrieges benutzt. Die Russische Föderation hat aber beim Überfall auf die Ukraine sofort erklärt, bei einer zu großen Einmischung der NATO, mit Kernwaffen zu kämpfen.“
Die auf die Vorträge folgende intensive Diskussions- und Fragerunde bestätigte, dass offene Kommunikation und Information wertvoll sind. Die Perspektive der Referenten erweiterte das Wissen der Schüler und der weiteren Gäste und befähigt damit zu einer fundierten persönlichen Meinungs- und Urteilsbildung, egal in welche Richtung diese gehen mögen. Genau diesen Prozess will das BSG anstoßen.