Das Benedikt-Stattler-Gymnasium steht zu seinem Namenspatron

Seit 1976 trägt das Benedikt-Stattler-Gymnasium seinen Namen. Die Entscheidung, nach welcher Persönlichkeit die Schule benannt werden sollte, machten sich die damals Zuständigen nicht einfach. Letztlich einigte man sich auch auf Grundlage von umfangreichen Recherchen des ehemaligen Volksschulrektors und Elternbeiratsvorsitzenden Karl Heinrich Krämer für den bedeutendsten Sohn der Stadt Kötzting, den Jesuiten Benedikt Stattler. Schon in den 1970er Jahren war den Beteiligten bewusst, dass Benedikt Stattler (1728-1797) durchaus polarisiert: Einerseits war er ein hochgebildeter und weitsichtiger Theologe, Philosoph, Naturwissenschaftler, Schulreformer und Wohltäter, andererseits vertrat er seine teils revolutionären Gedanken überaus hartnäckig und mit Vehemenz, sodass er mit seiner Lehre auch mit der Kirche in Konflikt geriet.

Als im August dieses Jahres das Benedikt-Stattler-Gymnasium mit Zweifeln an der moralischen Integrität seines Namenspatrons konfrontiert wurde, sahen es Schulleitung und Lehrerschaft als ihre Pflicht an, diese unerwartete These wissenschaftlich fundiert und vorbehaltlos zu prüfen. Aufgrund der schwierigen Quellenlage, der teils nicht problemlos zugänglichen und fast unüberschaubaren Zahl der Schriften Stattlers, die zudem in einem speziellen „Jesuiten-Latein“ verfasst sind, suchten das BSG und die Stadt Bad Kötzting zusätzliche Expertenunterstützung. Der Lehrstuhl für Bayerische Landesgeschichte der Universität Regensburg verwies auf Prof. Dr. Alois Schmid als großen Fachmann auf dem Gebiet der bayerischen Aufklärungszeit. Dieser war zuletzt an der Ludwig-Maximilians-Universität München Lehrstuhlinhaber.

Professor Schmid setzte sich den Bad Kötztinger Bitten folgend, aber bald auch aus eigenem großen Fachinteresse, kritisch mit dem Leben und Werk Stattlers sowie der These auseinander, Stattler habe Mordtaten im Zuge einer Ehrverteidigung für vertretbar gehalten. Ein knapper Passus in einer frühen Schrift („Ethica christiana communis“) enthält tatsächlich eine entsprechende Bemerkung. Professor Schmid konnte aber nachweisen, dass besagte „Ethica“ aus dem Vorlesungsbetrieb Stattlers in seiner Zeit als Universitätsprofessor erwachsen ist. Die Schrift hatte laut Schmid „die Aufgabe, Vorlesungsinhalte zusammenzufassen.“ Stattler trug damit die Lehre seines Ordens vor. Ohne persönlichen Kommentar im Sinne der Diktiermethode gab er also eine damals grundsätzliche Idee der Jesuiten wieder. Der Blick auf diese Entstehungszusammenhänge sowie das Fehlen einer eigenen Meinungsbekundung relativieren demnach eine Schlussfolgerung, wonach Stattler selbst „Ehrenmorde“ befürwortet habe.

In einer späteren, an ein breiteres Publikum gerichteten Schrift („Erster Auszug aus der allgemeinen katholisch christlichen Sittenlehre“, München 1791, S. 144) wendet sich Stattler als praktischer Seelsorger und Philosoph und nicht als lehrender Hochschulprofessor an seine Leserschaft. Dort sagt er, dass eine Ehrverletzung erlaube, „sich durch ordentliche Mittel gegen die Schande zu schützen, und unser Verdienst überzeugend auszuzeichnen. Zuletzt aber, wenn all dieß nichts fruchtet, müssen wir ohne Ungeduld und Rache uns damit eben so, wie in der Armuth am äußerlichen Vermögen, mit der allweisen und beßter Absichten voller Güte der Vorsicht und Zulassung Gottes beruhigen.“ In gleichem Sinne spricht er sich in weiteren Spätschriften aus. Professor Schmid belegt damit, wie Stattler die traditionsbelastete Ordenstheorie überwindet und sogar „demütige Duldung aller Verleumdung fordert“ – eine im Vergleich zur ursprünglichen Auffassung also eher fortschrittlich anmutende Haltung.

Ob nun eine persönliche Weiterentwicklung Stattlers eine Abkehr von der jesuitischen Lehrmeinung verursachte oder ob er bereits Jahre vorher eigene Ansichten vertrat, diese aber nicht in die Vorlesungsniederschrift aufnahm, ist nicht endgültig belegbar.

Unabhängig davon müssen wir als gebildete und aufgeklärte Menschen des 21. Jahrhunderts auch den Zeitgeist und das philosophisch-moralische Denken des 18. Jahrhunderts in unserer Einschätzung berücksichtigen. Die Einstellung zu Strafen und zu deren Zweck war damals anders. Die Aufklärung befand sich noch in den Kinderschuhen – gerade in einem traditionsverhafteten Orden wie dem der Jesuiten. Letztlich ist vor diesem Hintergrund die spätere, den Ehrenmord absolut ausschließende Meinung Stattlers eben doch wieder beachtlich modern und entspricht dem Bild, welches das Benedikt-Stattler-Gymnasium bislang von seinem Namenspatron hatte und das es durch die aktuelle Forschung bestätigt sieht. Alles in allem hat sich durch diese intensive Beschäftigung mit der Materie gezeigt, dass eine Annäherung an die historischen Gegebenheiten ausschließlich über eine objektive, wissenschaftliche Betrachtung der ursprünglichen Schriften vor dem Hintergrund der jeweiligen Zeitumstände führen kann.

Bürgermeister Markus Hofmann und Schulleiterin Birgit Maier sind Prof. Schmid sehr dankbar für seine fundierte akademische Auseinandersetzung mit dem bedeutenden Sohn der Stadt und Namenspatron des Gymnasiums. „Der Name scheint sogar gut geeignet zu sein, die Wertorientierung der Schule gerade in ihrer regionalen Verankerung deutlich zu machen“, stimmt Hofmann dem Urteil Professor Schmids zu. Auch Maier ist der Überzeugung, dass Stattler als kluger, charakterfester und sozialer Visionär zur Schule passt, die sich zum Ziel gesetzt hat, ihre Schülerinnen und Schüler zu eigenständigem und kritischem Denken zu motivieren und aus Fehlern von heute Erkenntnisse für morgen abzuleiten.

  

Nach sorgsamer Abwägung zieht Prof. Dr. Alois Schmid das Fazit, dass Benedikt Stattler
  • - eine unbestreitbar überzeugende Persönlichkeit mit Stärken (Fleiß, Beharrlichkeit, Geradlinigkeit, Konsequenz) und Schwächen war.
  • - als ein hochrangiger, fachlich breit aufgestellter, produktiver, ideenreicher, inspirierender Gelehrter, der in Theorie und Praxis viel Anerkennung fand und bis heute findet, gelten kann und in manchen Kernthemen über seine Epoche hinausblickte.
  • - ein wegweisender Schulreformer mit hoher Sozialkompetenz und zukunftsorientierten Impulsen war.
  • - der bedeutendste Sohn seiner unmittelbaren Heimat ist und somit Ansporn für die dortige Jugend sein kann.

 

 

Das Schuljahr im Blick