"BSG-Talk": Richter Dr. Thomas Strauß zum Thema rassistisch motivierte Straftaten
Ein Bericht von Emily G. (11a)
Auf der Aula-Bühne standen die knalligen Möbel aus dem Lesarium, darauf saßen zwei Zwölftklässler und ein Richter und wurden von einem diffusen, aber Fernsehstudio ähnlichem Licht angestrahlt. Im abgedunkelten Zuschauerraum befand sich das Publikum. Das Benedikt-Stattler-Gymnasium war Ort einer Talkshow. Natürlich wurde diese nicht gestreamt und sie war auch nicht für die Veröffentlichung gedacht, sondern sie fand eigentlich recht persönlich statt.
Am 16. Mai 2024 hatte die elfte Jahrgangsstufe des BSG die Chance, an einem Talk zwischen Herrn Dr. Thomas Strauß, Direktor des Amtsgerichts Cham, und den Moderatorenpaar Madeleine H. und Moritz H. (Q12) teilzunehmen und letztlich Zuschauerfragen zu stellen. Die „BSG-Talkshow“ war von Schülern organisiert worden, denn angesichts des verstärkten Rechtsrucks in der Bevölkerung war es Zeit zu reden; zu reden über Rassismus und Rechtsextremismus; zu reden darüber, wie die Justiz mit entsprechenden Vergehen umgeht.
„Wie tolerant schätzen Sie sich/schätzt Ihr Euch ein?“, lautete die Einstiegsfrage der Moderatoren an alle Anwesenden, die mithilfe einer digitalen Umfrage erfolgte. Ungeachtet der individuellen Antworten wurde in der Diskussion und anhand der Infos von Herrn Dr. Thomas Strauß schnell klar: Prinzipiell überschätzt jeder seine Offenheit. Heißt das jetzt, wir sind alle ein wenig rassistisch? Das nicht zwangsläufig, aber man muss sich, sein Handeln und sein Denken stets kritisch hinterfragen.
Allerdings haben laut Statistik rassistisch motivierte Angriffe im vergangenen Jahr um fünfzig Prozent zugenommen. Die Zahl mag zuerst erschrecken, doch Richter Strauß brachte Licht ins Dunkel und differenzierte: Nur, weil mehr Fälle gemeldet oder strafrechtlich verfolgt werden, heißt das noch nicht, dass tatsächlich mehr rassistische Vergehen begangen werden. Die Statistiken könnten auch bedeuten: „Rassistisch motivierten Vergehen wird aktuell vermehrt nachgegangen, sodass die Zahl der dokumentierten Fälle steigt.“ Ob sich also die Zahl der begangenen Taten tatsächlich erhöht habe, könne daran nicht zwingend abgelesen werden.
Eine mögliche Erklärung ist etwa, dass sich die Grenzen der Gesellschaft verschoben haben. Klar, ohne Anzeige kann einem Vergehen nicht nachgegangen werden. Das ist durchaus positiv: Der Bevölkerung scheint es wichtig zu sein, dass rassistisch motivierte Straftaten auch geahndet werden.
Der Jurist gab allerdings auch zu bedenken, dass es keine allgemeinverbindliche und eindeutige Definition von „Rassismus“ gebe. „Es gibt unterschiedliche Formen von Rassismus“, wurden die Zuhörer erinnert. Umso schwieriger sei es, rassistisch motivierte Taten als solche einzuordnen.
Eindeutig sei es bei Delikten aus dem rechten Spektrum. Denn da könne man bereits häufig am Auftreten der Angeklagten erkennen, dass bei ihm eine festgefahrene, verzerrte Meinung vorliege und es sich nicht um eine wenig reflektierte jugendliche Provokation handle. Das habe natürlich auch Auswirkungen auf das Strafmaß.
Herr Dr. Strauß erklärte zudem, dass eine hohe Zahl der gemeldeten, menschenfeindlichen Vergehen im digitalen Raum stattfinde. Was vielen Tätern oft nicht klar sei: Rechte und rassistische Äußerungen, Bilder, Videos, Mems, etc. sind im Internet ebenso strafbar wie im analogen Leben.
Am Ende des BSG-Talks wurde deutlich: Statistiken sollte man stets ins Verhältnis setzen, besonders wenn es um gesellschaftliche Fragen geht. Rassismus, sowie Rechtsextremismus (allgemein alle Arten des Extremismus) sind und bleiben Probleme und Gefahren vom Rand der Gesellschaft. Die Mitte muss sich dementsprechend fortlaufend stark und standfest erweisen, eine vernünftige Grenze zum Rand klar und deutlich aufrechterhalten. Der Kampf gegen Rassismus per se kann einzig von der Gesellschaft als Kollektiv aufgenommen werden.